Die Sprache ist das erste und beste Mittel zur Integration. Deutschkurse für Asylberechtigte sind gefragt wie nie. Was den Schülern in den Instituten beigebracht wird, das nehmen sie mit hinaus ins Leben. Oft ist das aber mehr als fragwürdig. alles roger? riskierte einen Blick auf einen Test und entdeckte dabei Erstaunliches.
Text: Martina Bauer
Demonstrieren:
Wenn man nicht zufrieden ist, geht man auf die Straße und demonstriert. So steht das auf einem Blatt Papier. Ein Test. Abgehalten im Deutschkurs im Institut update training an der Dresdner Straße in Wien. Aha, man lernt nie aus. Da wär' ganz schön was los auf der Straße, wenn diese Empfehlung alle Österreicher beherzigen würden. Das ist aber genau das, was den Asylberechtigten in diesem B1-Modul beigebracht wurde. Das lernen die dort wirklich.
Fordern Ich fordere von meiner Beratung, mir eine Ausbildung zu geben. Fordern ist ebenfalls Teil des Tests. Ein eigener Zugang, um etwas zu bekommen, was man sich wünscht. Vielleicht nicht der effizienteste, aber zumindest der der Lehrerin in diesem Kurs. Vermutlich würde das mit der Ausbildung schneller gehen, wenn man darum bittet, oder zumindest höflich danach fragt. Im Weltbild der Lehrenden scheinen solche Vokabeln nicht vorzukommen. Nach ihrem Dafürhalten sollte man eine Ausbildung fordern.
Andere Länder, andere Sitten. So sagt man. Und das trifft wohl auch auf die Deutschlehrerin aus der Slowakei zu. Sie hat scheinbar eine andere Wahrnehmung zu Verhalten und Höflichkeit. Auch mit der Grammatik, Interpunktion sowie Groß- und Kleinschreibung nimmt es die Unterrichtende nicht so genau, wie das Faksimile zeigt. Die roten Korrekturen sind von ihr, die schwarzen wurden von einem Österreicher gemacht. Aber selbst da fehlt noch mal ein Artikel vor der Steuer oder ein "n", wenn man die Steuer zur Mehrzahl machen möchte.
Sie ist nicht die einzige Lehrerin in dem Institut update training, die nicht so viel Wert auf das Schreiben legt. Es war schon öfter der Fall, dass Kursteilnehmer gebeten haben, dass ihre Texte korrigiert werden. Anstatt dem Wunsch nachzukommen, wurde ihnen gesagt, dass das nicht so wichtig sei und sie lieber lesen sollen. Zuhören macht ja auch weniger Arbeit als Korrekturlesen. Vielleicht hätten sie die Korrekturen fordern sollen, statt darum zu bitten. "Die Lehrerin interessiert gar nicht, was ich mache. Sie spielt lieber mit ihrem Handy." Eine Aussage, die von mehreren Schülern unisono getroffen wurde. Immer in Bezug auf Kurse von update training an der Dresdner Straße.
alles roger? wollte der Sache auf den Grund gehen.
Immerhin verschlingen diese Deutschkurse Millionen. Alleine das AMS gab 2016 dafür 79 Millionen Euro aus. Für die Institute ist das ein hervorragendes Geschäft. Auch für update training. Die Geschäftsführerin Eva-Maria Gosch blockte aber ab. Sie wollte nicht mit uns reden und ließ über eine Angestellte ausrichten, dass man sich doch mit dem Pressesprecher des AMS in Verbindung setzen sollte. Auch spannend, dass sich eine private Firma des Pressesprechers eines öffentlichen Amtes bedienen kann. Noch dazu für eine Thematik, die das Institut betrifft und nicht das Arbeitsmarktservice.
Der Pressesprecher des AMS Wien, Sebastian Paulick, versuchte dann das zu tun, was sein Job ist. Er informierte uns dahingehend, dass ständig - was auch immer das genau bedeuten mag - flächendeckend angekündigte und nicht angekündigte Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt werden. Der Notendurchschnitt bei der Kundenzufriedenheit liegt bei 1,2 und 1,7 nach dem Schulnotensystem. Wie jemand, der nicht Deutsch spricht, über die Qualität dessen urteilen kann, was ihm da gelehrt wird, bleibt ein Geheimnis. Aber vielleicht haben wir auch nur einige der "schwarzen Schafe" gefunden, die wirklich daran interessiert sind, unsere Sprache zu lernen, und zwar in Wort und Schrift.
Darauf angesprochen, ob es denn wirklich sinnvoll ist, Asylberechtigten gleich mal zu Beginn die Wörter demonstrieren und fordern zu lehren, antwortete Paulick: "Zu dem Papier, auf das Sie sich beziehen, kann ich wenig sagen, da ich es nicht kenne. Ich bin auch nicht sicher, ob ich die Ernsthaftigkeit Ihres Anliegens richtig einschätze: Sie fragen mich, ob es zu unseren Prioritäten gehört, dass KundInnen im Deutschkurs zum grundlosen Demonstrieren und zu einem möglichst fordernden Auftreten gegenüber Institutionen angehalten werden? Nein, gehört es nicht. Allerdings vermag ich das aus den beiden Wörtern, die Sie da offenbar in einer Unterlage gefunden haben, auch nicht abzuleiten."
Das Faksimile beweist das Gegenteil. Wenngleich man tatsächlich nicht davon ausgehen kann, dass diese Art des Unterrichts im Interesse des AMS liegt. Dennoch sind das Fakten, die einfach schöngeredet oder vom Institut gar ignoriert werden. Ein weiterer Punkt, der nicht zu leugnen ist, ist die recht dürftige Grammatik für einen B1-Kurs. Das mag auch daran liegen, dass es zwischen den einzelnen Kursen drei bis sechs Monate Wartezeit gibt. Eine lange Spanne, wenn man die nicht mit jemandem verbringt, der Deutsch spricht.
"Diese Leerläufe sind der hohen Nachfrage von Deutschkursen geschuldet", so Paulick. Via AMS absolvierten 2016 in ganz Österreich insgesamt 49.000 Personen Deutsch-Module. Davon waren 56 Prozent asylberechtigt und 44 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund. Weitere 5.000 Deutschkursplätze wurden 2016 vom Bundesministerium für Inneres gefördert und 10.000 vom Österreichischen Integrationsfonds. Hinzu kommen 20.000 Kurs-plätze des Förderprojekts Deutsch und Integration im Zeitraum von September 2016 bis Juni 2017. All jene, die bei diesem Angebot dennoch keinen Deutschkurs bekommen haben, können ja einen fordern. Wenn das nichts nützt, könnten sie auf die Straße demonstrieren gehen.