Im Wiener Tennisverband findet ein heftiger Schlagabtausch statt. Das Duell abseits des Centercourts lautet: Klubs gegen Präsident! Fünf Vereine haben gegen Dr. Franz Sterba bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Strafanzeige erstattet. alles roger? liegt nicht nur die Anklageschrift vor, sondern ist auch exklusiv im Besitz brisanter Belege sowie von Ermittlungsprotokollen. Das Netz der Vorwürfe spannt sich von dubioser Finanzgebarung bis hin zur persönlichen Bereicherung über privat genutzte Autos für Sterba (einen Porsche!) und seine Familie. Der ?Matchball? wird vor Gericht ausgespielt.
Der sonst so redegewaltige WTV-Präsident Dr. Franz Sterba zeigt sich sprachlos. Nur drei Worte fallen ihm ein: Rufschädigung! Racheakt! Schmutzkübelkampagne! Der "Eimer" ist allerdings randvoll gefüllt. Der Inhalt der Verfehlungen, der über Sterba ausgeschüttet wird, wiegt tonnenschwer. Die drei besten Punkte im (Anklage-)Spiel:
15:0 Der Fuhrpark der Sterbas auf WTV-Kosten
30:0 Entgegennahme von Geldern, die nicht als Einnahmen aufscheinen
40:0 Kassenausgangsbelege ohne dazugehörige Rechnungen
Das "Sterba-Out" schiebt der Herr Präsident einzig einem Mann in die Schuhe: Harald Zemen, 2006 bis Februar 2016 WTV-Generalmanager und daher "in", was die Sachlage betrifft. Bereits über das Ausscheiden von Zemen scheiden sich die Tennisgeister. Sterba gibt zu Protokoll, dass er sich von seinem Mitarbeiter nach schriftwörtlich "fortgesetztem Fehlverhalten" trennen musste.
Zemen weiß davon nichts und behauptet, ohne eine einzige "Verwarnung" von selbst gegangen zu sein. "Der Franzi zählt zu jenen fünf bis zehn besten Freunden, zu denen ich gehe, wenn ich Hilfe brauche. Ich will ihm nicht schaden, aber ich konnte nicht länger zusehen."
Zusehen, wie Sterba einen Porsche 911 Coupé pilotiert, damit sogar dreist bei Generalversammlungen vorfährt! Seine Gattin Andrea mit einem VW Eos durch die Gegend düst. Und seine beiden Söhne ebenfalls auf WTV-Autos abfahren (Faksimile). "Dafür zahlt der Verband jährlich 25.000 Euro an Leasingraten und 7.000 Euro Versicherung", steigt Zemen jäh auf die Bremse.
"Schwachsinn", kontert Sterba. "Die Sachen sind absurd. Einer meiner Söhne hat erst vor Kurzem den Führerschein gemacht."
Gas gibt Zemen beim nächsten "Anklagepunkt":
Anlässlich der jährlichen WTV-Gala gab es von 2007 bis 2014 eine "Bau-stein-Spenden-Aktion". Die Gesamt-Einnahmen da-raus beziffert Zemen mit rund 36.000 Euro. Die Tenniskassa klingelte zwar, läuten gehört hat aber niemand etwas davon: "Das gesammelte Geld scheint im WTV-Kassenbuch leider nirgends auf. Der Herr Sterba wird damit schon seine Ausgaben bezahlt haben, Künstler zum Beispiel. Aber was genau und wen?", fordert Zemen Licht ins Dunkel des Fördergelderdschungels.
"Diese Dinge liegen teilweise Jahre zurück. Da ist eine akribische Aufklärungsarbeit notwendig. Das werde ich nicht über die Medien kommunizieren. Meine Ansprechpartner sind vorerst die Ermittlungsbehörden und die Mitgliedervereine." Eines will Sterba sehr wohl festhalten: "Ich habe nix Böses gemacht und mich nicht bereichert!"
Stichwort Ausgaben. Auch was diesen Punkt betrifft, sieht Zemen jede Menge Aufklärungsbedarf. Um einen "offiziellen WTV-Song" aufzunehmen, blecht Sterba - der sich dabei auch selbst ins Bild rückt - auf dem Gelände des Wiener Parkclubs für einen Videodreh samt Sängerin und Statisten 7.380 Euro. Zemen: "Wozu? Das war vom Vorstand sicher nicht abgesegnet ..."
Sterba ist offensichtlich für jeden Spaß zu haben und verbucht weiters 580 Euro als "Einladungen ins Orpheum". Zu einer Kabarett-Vorstellung der Comedy-Hirten Peter Moizi und Christian Schwab.
Großzügig, wie Sterba nun einmal ist, spendet er für das SOS-Kinderdorf 1.500 Euro. "Das ist alles zweckentfremded", beschwert sich Mag. Sven Krumpel, Präsident des TC Blau-Weiss im Namen der Klubs darüber.
Lustig - wenn der Strafanlass nicht so traurig wäre - sind auch die Abrechnungen vom Zweitangeklagten Mag. Erich Harand (der Bruder von Ex-Eishockeyteamspieler und Trainer Kurt Harand).
Erich Harand fungiert unter Sterba als WTV-Sportwart und Geschäftsführer der Tennis Wien Leistungszentrum GmbH. Für einen Turnierbesuch beim UTC Sipbachzell (Oberösterreich) rechnet Harand fünf Tage und vier Nächte ab. "Das Turnier hat allerdings nur zwei Tage gedauert. Weder Spieler, Trainer noch Eltern haben Harand dort jemals gesehen", beruft sich Zemen auf diverse Zeugen. Leider kein Einzelfall, wie Tennis-Insider bestätigen. Gipfel der Berge an Belegen: "Selbst als sich Harand nachweislich auf Griechenland-Urlaub befindet, tauchen zum selben Zeitpunkt Spesenabrechnungen auf", wundert sich Zemen über das "Doppel-Leben".
"Alles, was ich jetzt sage, ist kontraproduktiv. Daher möchte ich nicht ins Detail gehen", rechtfertigt sich Harand. "Ich weiß, dass die Form der Rechnungslegung angeprangert wird, aber letztendlich waren das alles pauschalierte Kilome-tergelder!" Nachsatz: "Jede Kleinigkeit wird beantwortet und aufgeklärt werden." Dann zitiert Harand noch die offizielle Stellungnahme des Österreichischen Tennisverbandes: "Wir müssen die Behörden sprechen lassen!" Einen Seitenhieb auf Zemen kann er sich nicht verkneifen: "Es ist ein lang vorbereiteter, provozierter Rachefeldzug. Ich hoffe, dass der Schuss nach hinten losgeht."
Scharf unter Beschuss steht weiters - als Dritter im Bunde der Strafanzeige - Manfred Leonard, seines Zeichens Rechnungsprüfer des Wiener Tennisverbandes. Statt zu prüfen, muss er sich nun den Vorwurf gefallen lassen, mit von der Partie gewesen zu sein und beide Augen zugedrückt zu haben.
Unter den Tisch gefallen ist 2006 offensichtlich auch der Verkauf des WTV-Leistungszentrums in der Wehlistraße im zweiten Wiener Gemeindebezirk an russische Investoren. "Hier fehlen ebenfalls sämtliche Eintragungen. Bis heute wurde den Vereinen weder der Kaufvertrag vorgelegt, noch die Kaufsumme mitgeteilt", zieht Zemen aus seiner Sicht Bilanz.
Tag der Abrechnung! Bei der von den Klubs geforderten außerordentlichen Generalversammlung kommt es mit dem Triumvirat Sterba/Harand/Leonhard zu "längeren Ballwechseln", sprich Diskussionen. Fünf Stunden und 15 Minuten dauert die Sitzung!
Resultat: Leonard wird als Rechnungsprüfer abgewählt. Sterba und Harand retten sich ins "Tiebreak" und haben weitere drei Monate Zeit zur Rechtfertigung. Ein unabhängiges Steuerberatungsunternehmen soll innerhalb dieses Rahmens Buchhaltung und Belege begutachten. Ex-ÖTV-Präsident Professor Dr. Ernst Wolner, international anerkannter Herzchirurg, kontrolliert ab sofort als zeichnungsberechtigter WTV-Vizepräsident im wahrsten Sinn des Wortes die Geschäfte auf "Herz und Nieren"...
Rund 150 Vereinsvertreter sind Augen- und Ohrenzeugen des "offenen Schlagabtausches". Unter den Anwesenden befindet sich auch ein Ermittlungsbeamter der Staatsanwaltschaft: "Es kann drei bis fünf Jahre dauern bis diese Causa endgültig aufgeklärt ist..." PS: Beim Match ums Geld darf ein Satz nicht fehlen: Für alle auf dem (Gerichtsschau-)Platz Stehenden gilt die Unschuldsvermutung.
Prominente Namen im Spiel In den WTV-Unterlagen die alles roger? vorliegen, tauchen auch bekannte Gesichter auf. Radioreporter-Legende Edi Finger junior. Ex-Davis-Cup-Spieler Hans Kary sowie Sänger, Tänzer und Entertainer Michael Seida.
In den Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen diverser Jahre scheinen folgende Positionen auf:
15. 2. 2009 Sponsoring Seida 1.800 Euro.
20. 6. 2010 Seida CD im Betrag von 3.800 Euro.
Beleg Nr. 915/2011: Seida Honorar 2.750 Euro.
Doch die Rechnung stimmt so nicht. Außer den nackten Zahlen, gibt es dazu keinerlei detaillierte Angaben.
Sowohl Seida als auch sein Management waren - trotz mehrmaliger Bitten um Aufklärung - zu keiner Stellungnahme bereit.
Bei Hans Kary findet sich am 30. 11. 2010 die Eintragung "Fahrtkosten-Ersatz Kary 1.500 Euro". 2012 stehen 984 und 1.657 Euro an Ausgaben zu Buche. 2013 sind es insgesamt 4.564 Euro. Die Gegenleistung: Zum Beispiel Talentescouting in Kitzbühel - obwohl kein Wiener Spieler anwesend - sowie Unterhaltung der Gäste bei diversen WTV-Veranstaltungen. Auch die Betreuung der VIP-Club-Mitglieder bei Reisen nach Monte Carlo oder Barcelona zählte zu Karys Aufgaben. Außer nicht ordnungsgemäßen Kilometergeld-Abrechnungen (Faksimile), fehlen auch in diesen Fällen konkrete Unterlagen. "In Österreich sind sie dir sogar eine Lungenentzündung neidig", wettert Kary. "Ich habe immer ehrlich für alles gearbeitet. Es war teilweise Knochenarbeit, den ganzen Tag auf dem Platz zu stehen. Das Schmähführen gehört halt dazu!" Kary bezeichnet sich selbst als "WTV-Mann" und als "Chef" der Senioren und Jugend. "Dafür hab ich keine Millionen verdient, sondern Peanuts. Ich war vielleicht schlampig bei den Abrechnungen, jetzt komm ich zum Handkuss", räumt Kary ein. Was die Tennislegende nicht versteht: "Zemen war sogar im Gefängnis, der Dr. Sterba hat ihm geholfen und das ist der Dank dafür! Außerdem war der Zemen als WTV-Generalmanager doch immer dabei und hat alles gewusst. Warum packt er dann erst jetzt aus?"
Weder "mitgeschnitten" noch die Hand aufgehalten hat Edi Finger junior. Für ihn wurde 2010 (Belegnummer 886) ein Showanzug bei Prominentenschneider Peppino Teuschler um 750 Euro bestellt. "Ich sollte laut Dr. Sterba bei einer Moderation in Silber auftreten, hatte diese Farbe aber nicht in meinem Kleiderkasten", klärt Finger das bunte Treiben auf. "Nach ein paar Wochen hat mich der Peppino angerufen, dass der Anzug bei ihm herumhängt und ich ihn endlich abholen soll. Das war dann quasi mein Honorar."
WTV-Skandal-Aufdecker Harald Zemen hat sein persönliches "Hawk-Eye" (Habichtauge) auf diese Fehler gerichtet und sieht Sterba daher im Out: "Ich glaube nicht, dass diese Ausgaben im Sinne der Vereine sind, daher sind sie statutenwidrig."