Von 4. bis 17. Februar findet im norwegischen Åre die 45. Alpine Ski-Weltmeisterschaft statt. Österreich hat ein paar heiße Eisen im Feuer und rein theoretisch könnte es für Rot-Weiß-Rot die 100. Goldene Medaille geben. Ob das in der Praxis umzusetzen ist und was man sich sonst noch von dieser WM erwarten darf, dazu hat ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel alles roger? ein Interview gegeben.
Text und Interview: Martina Bauer
Die WM hat noch nicht begonnen und kann dennoch schon einen Rekord verbuchen. Insgesamt haben sich für die 45. Alpinen Ski-Weltmeisterschaften Athleten aus 77 Nationen angemeldet. Darunter auch Sportler aus Jordanien, Haiti, Ghana und Thailand. Nicht unbedingt Länder die für Wintersport berühmt sind. Und es ist auch noch nicht sicher, ob die dann wirklich alle in Norwegen vertreten sein werden, weil das auch von den FIS-Punkten der jeweiligen Athleten abhängt. Dennoch ist diese Nationenvielfalt beeindruckend, wenn man bedenkt, dass die Teilnehmer der ersten Ski-WM 1931 in der Schweiz ausschließlich aus Wintersportländern kamen. Da waren Sportler aus Großbritannien schon die großen Exoten.
Wirft man einen Blick auf den Gesamt-Weltcup, sieht man die überlegene Führung von Marcel Hirscher. Wer aber meint, die österreichischen Herren hätten deswegen ein leichtes Spiel, der irrt. Henrik Kristoffersen, Aleksander Aamodt Kilde und Aksel Lund Svindal werden bei ihrer Heim-WM bestimmt zusätzliche Kräfte mobilisieren und alles daransetzen, dass so viele Titel wie nur irgendwie möglich in Norwegen bleiben.
Der Superstar dieser WM könnte aber dennoch aus Österreich kommen. Marcel Hirscher fährt an den Wochenenden Siege und Rekorde wie am Fließband ein und unter der Woche scheint er hauptberuflich Papa zu sein sowie nebenberuflicher "Schnee-Schepfa", was übersetzt so viel wie Schneeschaufler bedeutet. Von der weißen Pracht gibt's ja derzeit genug, und das Wegschaufeln selbiger übernimmt der Parade-Athlet zu Hause offenbar selbst. Zumindest hat er das im Radio so verkündet. Das war bevor er sich in Richtung Åre nach Norwegen zur Alpinen Ski-WM auf den Weg gemacht hat. Mit viel Hoffnung im Gepäck, aber auch jeder Menge Druck, wegen der Erwartungshaltungen vom Fan vor dem Fernseher bis hin zum ÖSV-Präsidenten (siehe Kasten), und vermutlich auch seiner eigenen.
Wenn er in Åre aber so aufs Tempo drückt wie in der Zeit davor, dann steht den österreichischen Jubiläumsmedaillen nichts im Weg. Derzeit hat unsere Nation bei Weltmeisterschaften insgesamt 286 eingefahren, davon 95 Goldene. Um kurz bei der Statistik zu bleiben: Generell wurden bei den vergangenen 44 Weltmeisterschaften 1.093 Medaillen vergeben, was bedeutet, dass bei dieser WM irgendeiner der Athleten die 1.100 Medaille holen wird. Rein rechnerisch sollte es sich laut Programm um eine Dame handeln.
Bei denen ist Österreich nicht ganz so gut aufgestellt wie bei den Herren, was aber auch mit den verletzungsbedingten Ausfällen zu tun hat. Ob sich auch eine österreichische Dame unter den insgesamt elf Weltmeistern, die in Åre gekürt werden, befinden wird, steht noch in den Sternen.
Wussten Sie, dass Sie in Åre ein Jubiläum feiern können? Es ist bereits Ihre 15. Ski-Weltmeisterschaft als ÖSV-Präsident.
Ich führe da keine Statistiken, weil immer der nächste Event wichtig ist. Die Zukunft zählt, nicht die Vergangenheit. Das ist wie beim Fischen. Wenn der Fisch ausgekommen ist, zählt auch der nächste, den man fängt.
Wenn das so ist. Haben Sie vor, bei der WM in Cortina d'Ampezzo 2021 auch wieder dabei zu sein?
Diese Frage kann ich jetzt nicht beantworten. Wenn ich aufhöre, wird es eine ordentliche Übergabe geben, und die soll gut vorbereitet sein. Wenn man vorher ein Datum sagt, ist das schwierig.
2017 hat Österreich bei der WM in St. Moritz mit neun Medaillen - drei Goldenen, vier Silbernen und zwei Bronzenen - den Medaillenspiegel gewonnen. Ist das wieder das erklärte Ziel?
Das Ziel ist bei uns meistens sechs bis acht Medaillen. Wir haben zwar Potenzial für mehr, aber wenn man Pech hat, können es auch weniger sein.
Wird es schwieriger als noch vor zwei Jahren?
Man muss bedenken, dass wir bei den Damen mit Anna Veit und Stephanie Brunner aufgrund von Verletzungen zwei Medaillenanwärterinnen verloren haben. Aber wir haben auch im Speed-Bereich noch andere starke Damen. Wir suchen da keine Ausreden.
Auf wen setzen Sie Ihre größten Hoffnungen?
Das ist natürlich der Marcel Hirscher, aber wir haben auch viele andere starke Läufer. Matt, Schwarz, Feller - sie alle sind schnell und können Medaillen machen.
Bei den Damen klappt es seit geraumer Zeit nicht ganz so gut wie bei den Herren. Wissen Sie, warum das so ist?
Es geht schon auch bei den Damen sehr gut. Die haben auch schon Siege eingefahren. Es kommen auch einige Junge nach. Da ist viel Potenzial da.
Bisher hat Österreich bei Ski-Weltmeisterschaften 95 Goldene und insgesamt 286 Medaillen geholt. Es könnte also zwei Jubiläumsmedaillen regnen. Meinen Sie, dass sich die 100. Goldene theoretisch ausgehen könnte?
Es hat mal jemand errechnet, dass es alleine während meiner Zeit über 200 waren. Die 300. Medaille insgesamt sollte sich schon ausgehen, aber die 100. Goldene ist wohl nicht sehr wahrscheinlich. Theoretisch ist sie möglich. Praktisch braucht man dazu auch sehr viel Glück. Wir werden sehen ...
Was müsste passieren, damit Sie richtig enttäuscht wären?
Ich wäre sehr enttäuscht, wenn wir nicht viel gewinnen, wenn wir gar keine Goldene machen oder wir das Ziel von sechs Medaillen nicht schaffen. Dazu muss man aber sagen, dass wir seit Jahrzehnten auf einem sehr hohen Level sind. Und eigentlich zählt der Nationen-Cup sowieso mehr als die Weltmeisterschaft. Wenn du dort die Nummer eins bist, dann bist du die beste Ski-Nation der Welt. Das ist der Maßstab. Und den Nationen-Cup hat Österreich seit 1990 durchgehend gewonnen.