Die Mehrheit der Österreicher wünscht sich mehr direkte Demokratie. Doch die Eliten wollen das Gegenteil: Ihnen sind nicht nur Volksabstimmungen zuwider, sondern teilweise auch Entscheidungen der Parlamente, wie die Diskussionen um das EU-Kanada-Abkommen CETA zeigten.
Text: Klaus Faißner
Zukunftsfragen für ganz Europa dürfen nicht von nationalen oder regionalen Interessen blockiert werden", forderte die EU-Abgeordnete der Neos, Angelika Mlinar. Es sollte nicht mehr vorkommen, dass Parlamente wie jenes in Wallonien (Belgien) der EU einen Strich durch die Rechnung machen können - und geheim ausverhandelte Abkommen wie CETA zwischen der EU und Kanada gefährden. Damit liegt die Neos-Abgeordnete ganz auf einer Linie mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: In Zukunft sei unbedingt schon zu Beginn festzulegen, "was nationalen Parlamenten überlassen sein muss", erklärte dieser. Mit anderen Worten: Das österreichische Parlament soll bei Freihandelsabkommen gar nicht mehr gefragt werden - denn laut gültigem EU-Vertrag von Lissabon ist dies alleinige Sache der EU.
2008 wurde diese Entmündigung im österreichischen Parlament von SPÖ, ÖVP und den Grünen mit Klubobmann Alexander Van der Bellen beschlossen. Die FPÖ mit ihrem Abgeordneten Norbert Hofer war dagegen. Der ehemalige Journalist des deutschen Nachrichtenmagazins Focus, Oliver Janich, erklärte, "dass wir uns nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags bereits von der Demokratie verabschiedet haben".
Gauck: "Volk ist das Problem"
Wenige Mächtige bestimmen über Hunderte Millionen Menschen, ohne sich um nationale oder regionale Parlamente zu scheren. Zusätzlich brechen Politiker Gesetze, sei es der gemeinsame Beschluss von Angela Merkel und Werner Faymann, die Grenzen für die unkontrollierte Massenzuwanderung zu öffnen oder die EU-Vereinbarung, Banken und Pleitestaaten zu retten. Eine schwache Euro-Währung, immer mehr Verbote, eine steigende Kriminalität oder die beständige Terrorgefahr kommen hinzu. Immer mehr Bürgern ist klar, dass die Eliten versagt haben. Diese sehen das anders: "Die Eliten sind gar nicht das Problem, die Bevölkerungen sind im Moment das Problem", erklärte der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck in einem Fernsehinterview. Genau in diesem Sinne dichtete der deutsche Dramatiker Bertolt Brecht vor über 60 Jahren: "Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?"
Eliten seien zwar nötig, aber, wie die Geschichte zeige, "nur in geringen Dosen zu ertragen", schrieb der Chefredakteur der Basler Zeitung, Markus Somm, knapp nach der Volksabstimmung über den EU-Austritt Großbritanniens. "Man muss sie kontrollieren und vor ihren eigenen Visionen, Träumen und Rechthabereien schützen. Demokratie ist entstanden, weil der Bürger den eigenen Eliten misstraute, zu Recht misstraute", so Somm.
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FPÖ aus Demokratie ausschließen?
Das Volk einfach austauschen, wenn es unangenehm wird. Oder Parteien verbieten, die immer mehr Zulauf bekommen. Diesen Wunsch sprach der Regisseur Fabian Eder auf der Standard-Internetseite Mitte September aus. Über "Strache & Co." bzw. die FPÖ schrieb er: "Ja, ich bin ... mehr denn je der Überzeugung, dass man solche Rüpel vom demokratischen Prozess ausschließen muss ...". Parteien gehören zum demokratischen Prozess. Wer sie ausschließt, ist für die Diktatur. Eder ist übrigens mit Katharina Stemberger verheiratet, die im Bundespräsidenten-Wahlkampf den Van-der-Bellen-Unterstützern nahelegte, ein "bisschen" kriminell zu werden.
Apropos ausschließen: Wenn ein EU-Mitgliedsstaat wie Ungarn Zäune baut, um die EU-Gesetze einzuhalten und die EU-Außengrenze zu schützen, sollte dieser "vorübergehend oder notfalls für immer aus der EU ausgeschlossen werden" - zumindest wenn es nach dem luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn geht.
Das Wort Demokratie heißt aus dem Griechischen übersetzt "Das Volk hat die Macht". Dementsprechend heißt es in Artikel 1 der österreichischen Bundesverfassung: "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus." Doch das stimmt nicht mehr, erklärte bereits im Jahr 2000 der damalige Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Ludwig Adamovic: "Die Republik Österreich muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass alles Recht in Österreich vom Volk ausgeht, das heißt demokratisch legitimiert ist." Grund ist die EU-Mitgliedschaft. Gerade bei den EU-Institutionen sei die Lage alarmierend, erklärte der ehemalige tschechische Präsident Vaclav Klaus: "Da ist gar nicht die Frage nach einem Demokratiedefizit, es geht um ein komplettes Fehlen von Demokratie."
EU ist undemokratisch
Auch wegen des Brüsseler Diktats fordern immer mehr Menschen - laut Umfragen mehr als drei Viertel der Österreicher - Volksabstimmungen und damit mehr Mitsprache. Doch dies fürchten die Eliten wie der Teufel des Weihwasser: Das direkt-demokratische System der Schweiz sei "mit den Verpflichtungen eines EU-Landes nicht vereinbar", erklärte Ex-Bundespräsident Heinz Fischer vor einigen Jahren die Situation. Und der bekannte deutsche Journalist Jakob Augstein meint sogar: "Wer Demokratie will, darf die Menschen nicht direkt befragen." Augstein weiter: "Aus gutem Grund gibt es Parlamente. Sie schützen die Demokratie vor dem Volk und das Volk vor sich selbst. Denn beim Volk, das ist eine paradoxe Wahrheit, ist die Demokratie nicht gut aufgehoben. Volkes Stimme und Fortschritt - das geht nicht gut zusammen. Die Schweizer wollten keine Minarette, die Hamburger keine Gemeinschaftsschulen und die Niederländer jetzt keinen Vertrag mit der Ukraine." Demokratie ohne Mitsprache des Volkes? Das klingt nach George Orwells Roman 1984, wo es im beschriebenen Überwachungsstaat heißt: "Krieg ist Frieden!, Freiheit ist Sklaverei!
Unwissenheit ist Stärke!" Wollen wir echte Demokratie nach Schweizer Vorbild, so ist demnach ein EU-Austritt unumgänglich. Denn bei der EU-Politik gehe es darum, über die Menschen drüberzufahren - "Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt", erklärte der jetzige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Rousseau: Volk muss entscheiden
Genau gegenteilig ist hingegen die Vorstellung von echter, direkter Demokratie, wie sie der Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau im 18. Jahrhundert formulierte: "Die Souveränität kann nicht vertreten werden ... Die Abgeordneten des Volkes sind also nicht seine Vertreter, noch können sie es sein; sie sind nur seine Beauftragten, nichts können sie endgültig beschließen. Jedes vom Volk nicht persönlich ratifizierte Gesetz ist nichtig; es ist kein Gesetz."