Sie können komplizierteste Rechenaufgaben im Kopf lösen, Tausende Musikstücke aus dem Gedächtnis nachspielen, extreme Kälte ertragen oder Lexika Wort für Wort wiedergeben. Diese Supermenschen erweitern die Grenzen des Möglichen.
Text: Helmut Berger
Stephen Wiltshire - Die menschliche Kamera
Der 42-jährige Mann aus London ist ein Künstler. Er zeichnet. So weit, so unspektakulär. Aber was der Autist mit einer Inselbegabung kann, kann sonst keiner. Er betrachtet etwas und bringt es danach sehr detailliert auf die Leinwand. Und es geht hier nicht etwa um eine Obstschale. Stephen Wiltshire hat nach Rundflügen mit einem Helikopter ganze Städte mit einem Bleistift nachgezeichnet. London, Rom, Frankfurt, New York. Straßen, Gassen, Gebäude, Fenster, Sehenswürdigkeiten. Auf den riesigen Panoramabildern ist alles zu erkennen. Und es gibt auch Detailaufnahmen. Die Tower Bridge, der Petersdom, das Chrysler Building. Als hätte jemand ein Schwarz-Weiß-Foto gemacht.
Kim Peek - der wahre Rain Man
Er war ein Vorbild. Und zwar für die Figur des Raymond Babbitt im Film Rain Man mit Dustin Hoffman und Tom Cruise. Kim Peek war nicht nur ein Savant, der Autismus-Forscher Darold Treffert bezeichnete ihn als Mega-Savant. Der Grund: Der US-Amerikaner kannte 12.000 Bücher fast auswendig. Den Inhalt jeder Buchseite konnte er sich nach nur sieben Sekunden merken. Schon als Vierjähriger hatte er acht Lexikon-Bände in seinem Gehirn abgespeichert. Mit nur 58 Jahren starb Kim Peek an den Folgen eines Herzinfarkts.
Daniel Paul Tammet - der Rechenkünstler
Wie Stephen Wiltshire ist auch Daniel Tammet ein britischer Savant, also ein Mensch mit einer Inselbegabung. Seine Superkraft: Er kann komplizierte Rechenaufgaben sehr schnell lösen und die Ergegbnisse auf bis zu hundert Nachkommastellen wiedergeben. Von der Zahl Pi weiß er noch mehr. Fünf Stunden lang referierte Tammet 22.514 Nachkommstellen. Er erklärt, dass jede Zahl bis 10.000 für ihn ein eigenes Erscheinungsbild hat. Wie ein Symbol. In seinem Kopf vereinigen sich zwei solcher Erscheinungsbilder zu einem dritten, dem Ergebnis. Pi empfindet er übrigens als wunderschön, die Zahl 289 sei besonders hässlich. Tammet spricht außerdem Englisch, Französisch, Finnisch, Estnisch, Spanisch, Deutsch, Litauisch, Esperanto, Rumänisch, Walisisch und Isländisch. Und er hat eine eigene Sprache erfunden. Mänti.
Isao Machii - Ein Samurai und sein Schwert
Isao Machii kann mit seinem sogenannten Katana einen Tennisball zerteilen. Einen Tennisball, der mit mehr als 800 km/h auf ihn zugeflogen kommt. Und das schafft der moderne Samurai sogar mit einer Pistolenkugel aus Kunststoff. Dank seiner besonderen Fähigkeiten ist Isao Machii mehrfacher Guinness-Weltrekordhalter.
Daniel Kish - Der echte Batman
Nein, er jagt keine Verbrecher. Er trägt auch kein Fledermauskostüm. Und doch hat Daniel Kish mehr mit einer Fledermaus gemein als der dunkle Ritter. Er fährt mit dem Rad durch die Gegend, wandert durch die Wälder und spielt auch gerne Ball. Aber der US-Amerikaner ist blind. Seine Umgebung nimmt er mit den Ohren wahr. Dazu nutzt er die Klicksonar-Technik. Das heißt, er schnalzt in regelmäßigen Abständen mit der Zunge. Dann hört er das Echo, das zum Beispiel von einem Baum, einem Haus, einem Auto oder von anderen Menschen zurückkommt. So entsteht in seinem Kopf ein genaues Bild seiner Umgebung. Auch Fledermäuse nutzen die Echoortung zur Orientierung.
Veronica Seider - Die Frau mit den Adleraugen
Mit ihren Augen sieht sie zwanzigmal besser als andere Menschen. Und so kann sie selbst die kleinsten Dinge aus großer Entfernung erkennen. Veronica Seider sieht zum Beispiel einen Menschen auf fast zwei Kilometer Entfernung so gut, dass sie ihn identifizieren kann. Jeder andere Mensch bräuchte dafür ein Fernglas.
Derek Paravicini - Das musikalische Genie
Er ist blind, besitzt aber das perfekte Gehör. Er ist auf dem geistigen Stand eines Kindes und ist doch ein Genie. Musik ist seine Welt. Derek Paravicini spielt Klavier wie kein anderer. Schon als Kleinkind hat er es gelernt. Egal welches Musikstück er hört, er kann es sofort nachspielen. Und auch mit eigenen Improvisationen kombinieren. Mehr als 12.000 Stücke kann der britische Savant mittlerweile auswendig. Von Pop bis Klassik. Von Lady Gaga bis Beethoven. Der Umgang mit anderen Menschen fällt ihm hingegen schwer. Fans hat er trotzdem viele.
Wim Hof - Ein eiskalter Typ
Er hat sich dazu entschlossen, keine Kälte mehr zu spüren. Darauf hat er seinen Körper trainiert. Mit Meditation hat er eine mentale Stärke erlangt, die es ihm zum Beispiel erlaubt hat, 113 Minuten in einem Becken voller Eis zu verbringen, ohne dass seine Körpertemperatur bedenklich absank. Außerdem lief der Iceman, wie Wim Hof genannt wird, einen Marathon nördlich des Polarkreises. In kurzen Hosen. Er hatte auch nicht mehr Kleidung am Körper, als er auf dem Mount Everest herumkletterte. Was der Niederländer vollbringt, verblüfft Forscher auf der ganzen Welt. Wer seine Technik erlernen will, hier gibt es Infos und einen Videokurs: www.wimhofmethod.com.