Am 31. August endete die Sommer-Transferzeit im Fußball. Die Geld-Geilheit raffgieriger Berater sprengte dabei alle Grenzen, wie alles-roger?-Kolumnist Peter Linden erklärt.
Text von Peter Linden
Paris Saint Germain kauft FC Barcelonas Superstar Neymar für 222 Millionen Euro. Die Katalanen haben als Ersatz für ihn Dortmunds Jungstar Ousmane Dembele und Liverpools Brasilianer Philippe Coutinho ausgesucht, bieten für sie 120 beziehungsweise zunächst 100 Millionen, dann 125 Millionen Euro Ablöse. Als die Angebote abgelehnt werden, streikt Dembele, kommt nicht zum Training, verlässt Dortmund mit unbekanntem Aufenthalt in seine französische Heimat, flüchtet sich Coutinho in eine Rückenverletzung, trainiert und spielt nicht mehr. Hinter allem stecken die Berater der Spieler, die selbst fette Honorare in Millionenhöhe kassieren, Gehälter und Transfersummen in die Höhe treiben, die Fans immer wütender machen.
Um bei Neymar zu bleiben: Paris St. Germain ist das teure Spielzeug des Emirs von Katar, der den Klub aus Frankreichs Hauptstadt 2011 komplett übernahm. Tamim bin Hamad al Thani, mit 37 Jahren das Staatsoberhaupt, entnimmt die Millionen aus der Staatskasse, die mit 285 Milliarden Euro so prall gefüllt ist, dass man damit mehr als 1.000 Neymars kaufen könnte. Tamim bin Hamad ist seit Jugendzeiten mit Nasser Al-Khelaifi, dem Sohn eines Fischers, befreundet. Er setzte ihn als seinen Sportchef ein, als Vorsitzenden der Qatar Sports Investment. Die entscheidet, wohin die Millionen rollen. Die größten Projekte: Die Fußball-WM 2022 und Paris St. Germain. 941,15 Millionen Euro hat Katar seit 2011 für neue Spieler ausgegeben, Bayern München zum Vergleich im gleichen Zeitraum "nur" 496,8. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge behauptete sogar, der Mega-Transfer Neymars sei teurer als die Münchner Allianz-Arena, die 346 Millionen gekostet hatte.
Neymar: bis zu 760 Millionen Euro
Das Gesamtvolumen bei Neymar ist mehr als doppelt so hoch, 760 Millionen - 300 bekam Neymar als WM-Boschafter von Katar. Damit kaufte er sich selbst von Barcelona um die erwähnten 222 Millionen Euro frei und so umging Paris St. Germain das Financial Fairplay der UEFA. Die verbleibenden 78 Millionen behielt der Brasilianer als Handgeld. Die nächsten fünf Jahre kassiert er in Paris 150 Millionen Euro netto. Bei einem Steuersatz von 49 Prozent muss Paris St. Germain praktisch das Doppelte zahlen. 50 Millionen Euro extra bekäme Neymar für den Gewinn der Champions League. Da beim Neymar-Deal mehrere Paten die Hände im Spiel hatten, kostete das etwa 110 Millionen Euro:
> Neymar da Silva Senior, der geldgierige Vater. Er kassierte 2013 schon 43 Millionen Euro beim Wechsel von Santos zu Barcelona , diesmal waren es 50.
> Pini Zahavi, ein ehemaliger Journalist aus Israel. Der einflussreiche Berater und Strippenzieher vertrat PSG. Er wurde mit 35 Millionen Euro belohnt.
> Ribeiro Wagner, der offizielle Berater von Neymar.
> Marcos Motta, Neymars brasilianischer Anwalt mit Sitz in Rio de Janeiro. Wagner und Motta kassierten zusammen 25 Millionen Euro.
Trainingsverbot als Druckmittel
Neymar löste den Franzosen Paul Pogba als teuersten Transfer ab. Für den zahlte Manchester United 2016 an Juventus 105 Millionen Euro. Hinter dem stand der gefürchtetste Berater: Mino Raiola, der 46 Klienten hat und auch punkto Körpergewicht dick im Geschäft ist. Ein 49-jähriger Italiener, aus der Kleinstadt Nocera Inferiore bei Neapel. Die Eltern wanderten nach Holland aus, eröffneten eine Pizzeria. Darum heißt Raiola in der Szene Pizzabäcker, weil er früher Verträge mit den Lieferanten aushandelte. Sein erster Coup: 1993 der Wechsel von Dennis Bergkamp von Ajax Amsterdam zu Inter Mailand um 9,77 Millionen Euro.
Seine Klienten heute: Pogba, Zlatan Ibrahimovic, Mario Balotelli, Henrikh Mkhitaryan. Am Pogba-Wechsel soll er 50 Millionen verdient haben, insgesamt schon über 300 Millionen Euro an Honoraren eingestrichen haben. Raiola spricht sieben Sprachen, hat Wohnsitze in Monte Carlos, Amsterdam, Paris und Mailand, verhandelt in Kapuzenpulli, Badehose und Badeschlapfen. Raiola hält seine Stars vom Training fern, um Wechsel zu erzwingen. Wie bei Ibrahimovic von Ajax zu Juventus oder Mkhitaryan von Dortmund zu Manchester United. So wie Dembeles Agent Moussa Sissoko, der in London lebt, und in Frankreich offiziell keinen Transferaktivitäten mehr nachgehen darf. Auf ähnliche Art hatte Dembele 2015 seinen Transfer von Rennes zu Red Bull Salzburg durchsetzen wollen, war aber daran gescheitert. 2015 war auch das Jahr, in dem die Berater-Lizenz des Weltverbands FIFA abgeschafft wurde. Seither kann jeder, der will, den Job machen.
Bayern: "Wir können nicht ..."
Jorge Mendes ist ein ähnliches Schwergewicht wie Raiola. Er verschaffte zuletzt dem Kolumbianer James bei Bayern einen Nettoverdienst von 12,5 Millionen pro Saison. Die prominentesten Klienten des Portugiesen sind Cristiano Ronaldo und Trainerstar José Mourinho. Beide sind ebenso im Visier der spanischen Finanz wie Mendes. Mächtige deutsche Berater haben eine Österreich-Connection: Thomas Kroth steht hinter Aleksandar Dragovic und Teamkapitän Julian Baumgartlinger, Roger Wittmann mit seiner Rogon-Agentur hinter Marcel Sabitzer und einigen Spielern, die er bei Austria und Rapid platziert hat. Deutschland hält sich wortreich beim Transfer-Wahnsinn zurück. Für den Spruch "Wir können nicht, wir wollen nicht" bekam Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge viel Beifall.
Der deutsche Meister zahlte die 41 Millionen Euro für seinen teuersten Transfer, den Franzosen Corentin Tolisso, vom eigenen Festgeldkonto, ohne Katar-Hilfe. Jedoch kassiert Bayern vom Hamad-Flughafen aus Katars Hauptstadt Doha zehn Millionen als teuerster Ärmelsponsor der Bundesliga. Dortmunds scheinheiliger Boss Hans Joachim Watzke will zumindest am Transfer-Wahnsinn verdienen: 120 Millionen Euro für Dembele sind zu wenig, 150 muss Barcelona zahlen. Er könnte ja auch 120 nehmen und zu Dembele auf gut Deutsch sagen: "Verpiss dich!" 2016 hatte Dortmund für ihn nur 15 Millionen Euro an Rennes überwiesen.
Österreich ist normaler
Österreich? Nur ein kleines Licht, wenn es ums große Geschäft geht. Selbst die 27 Millionen Euro, die West Ham für den von seinem Bruder beratenen Marko Arnautovic zahlte, sind in England nur ein Klacks. Rot-weiß-rote Aufregungen, wie Rapids Rekordverkauf des 19-jährigen Max Wöber um 7,5 Millionen, der Fünfmillionen-Wechsel von Austrias Schützenkönig Larry Kayode via Manchester City zu Spaniens Aufsteiger Girona oder der Wechsel des 17-jährigen Toptalents Romano Schmid von Sturm Graz zu Red Bull Salzburg mit Hilfe einer sechsstelligen Ausstiegsklausel, wären in anderen Ländern nur eine Notiz wert. Und die Provisionen österreichischer Berater erreichen keine astronomischen Zahlen, reichen aber lebenslang für zwei warme Mahlzeiten pro Tag - wie bei Thomas Böhm (Grass-is-Green-Agentur, unter anderem mit Martin Hinteregger und Zlatko Junuzovic als Klienten), Jürgen Werner mit Stars & Friends (Sebastian Prödl, Kevin Wimmer) oder Max Hagmayr (mit Valentino Lazaro, Heinz Lindner). Einiges aufzuweisen haben der Holländer Rob Groener und sein Wiener Partner Walter Künzel: Es begann vor einem Jahrzehnt mit einem Wechsel von Marko Arnautovic zu Twente Enschede. Die letzten Coups: Philipp Lienhart von Rapid zu Real Madrid und Freiburg, jetzt Wöber zu Ajax Amsterdam. Auch Louis Schaub lässt sich von ihnen beraten.