Bankenrettung ohne Steuergeld

Foto: Thomas Wolf
Foto: Thomas Wolf

Er ist einer der klügsten und weisesten Menschen des Landes. Und wohl auch deshalb nicht in allen Kreisen beliebt. alles roger? traf den Rechnungs­wesen-Professor der Wirtschaftsuni Wien, Franz Hörmann, zum Gespräch. Dabei verriet er, wie Bankenrettung ohne Steuergeld funktionieren kann und andere spannende Details rund ums Geld- und Wirtschaftssystem.


Text: Martina Bauer und Klaus Faißner

 Das System ist am Ende. Daraus macht Franz Hörmann kein Hehl und sich damit nicht nur Freunde. Er ist Professor am Institut für Revisions-, Treuhand- und Rechnungswesen an der Wirtschaftsuniversität Wien. Ein Vollprofi also, wenn es um Bilanzen geht. Inmitten der Finanzkrise war Hörmann der Erste seines Faches, der anprangerte, dass Banken Geld aus dem Nichts schaffen, sich der Staat bei ihnen verschuldet und der das Finanzsystem als Betrugssystem bezeichnete. Das brachte ihm eine große Anhängerschaft, aber auch viele Feinde ein. Doch egal wie die Anschuldigungen lauteten: Hörmann ist voll rehabilitiert und lehrt nach wie vor an der Uni.

Eines seiner Lieblingsthemen ist die Rettung der Banken. Die Steuerzahler bluteten mit zig Milliarden für sie. Doch laut Hörmann wäre kein einziger Cent dafür nötig gewesen. Es klingt unglaublich: Gebraucht hätte dafür der Bundeskanzler oder Finanzminister lediglich einen findigen Fachmann in Buchhaltung oder Bilanzierung. Franz Hörmann zum Beispiel. Die Auswirkungen wären laut Hörmann - zusätzlich zur Schonung der Steuerzahler - phänomenal:

 1. Die Banken erleiden keine Verluste durch Kreditausfälle

2. Das Geld am Konto der Kunden bleibt im Umlauf

3. Die Banken bauen dringend notwendiges Eigenkapital auf

4. Der Staat könnte die Banken mit steigendem Eigenkapital Schritt für Schritt verstaatlichen. Gleichzeitig könnten und sollten die Eigentümer der Banken entschädigt werden. Der Staat wäre nicht mehr den Banken ausgeliefert.

 "Dreckiges Geheimnis der Bankgeschäfte"

Warum das nicht schon längst so gehandhabt wird, ist die Frage, die sich da aufdrängt. Hörmann glaubt, dass 95 Prozent der Abgeordneten gar nicht wissen, wie Geldschöpfung funktioniert. "Wenn sie das wüssten, könnten sie nie wieder Bankenlobbying betreiben", ist der Wissenschaftler überzeugt. Zu einem Kreditvertrag eines Bankkunden, der dafür von der Bank Geld auf sein Girokonto gebucht bekommt, erklärt er: "Die Banken machen ja nur einen Schuldscheintausch." Die Bank verbuche nämlich eine Forderung gegenüber dem Kreditnehmer und zugleich eine eigene Verbindlichkeit (Fachausdruck "Bilanzverlängerung") und sei damit ebenfalls Schuldner, kein Gläubiger. Und nach einem Schuldscheintausch dürfe es, zum Unterschied vom Darlehen, weder Tilgungen noch Zinsen geben. "Die Buchung entspricht rechtlich einem Schuldscheintausch und keinem Darlehen. Ein Darlehen setzt ja voraus, dass eigenes Vermögen hingegeben wird, das ist buchungstechnisch nur mit einem Aktivtausch möglich, nicht in einer Bilanzverlängerung gegen Fremdkapital. Das alleine ist seit Hunderten von Jahren das dreckige Geheimnis der Bankkredite", so Hörmann.

Dazu gibt es aber noch kein Feststellungsurteil, und das würde es brauchen. Damit gäbe es dann keine rechtliche Grundlage mehr für Zinsen und Tilgungen. Banker wollen das natürlich nicht hören, weil das, so Hörmann, "bei Licht betrachtet gewerblicher Betrug ist." Es sei aber auch das, was man lernt, wenn man zum Bankkaufmann ausgebildet wird. "Die Lehre im Bankbilanzierungsunterricht lautet: Es passiert alles so, wie bei anderen Unternehmen auch, nur steht bei der Bank alles auf der anderen Seite. Das ist eine sogenannte Eselsbrücke für Studenten, die man so mit unhinterfragten Dogmen ins offene Messer laufen lässt", sagt der Wirtschaftswissenschaftler, der vom Banker-Bashing so gar nichts hält, weil die ja auch nur die Spielregeln ausführen, die ihnen von den Wirtschaftsprüfern vorgegeben werden.

"Dort, wo die Regeln gemacht werden", so Hörmann, "haben deutschsprachige Wirtschaftsprüfer gar nichts zu melden, sie sind in erschreckender Minderheit. Der Sitz des IASB (International Accounting Standards Board) ist in London und wird primär mit Wirtschaftsprüfern aus dem angloamerikanischen Raum beschickt. Die

Regel ist: Jene Bilanzierungsnormen sind die besseren, bei denen höhere Gewinne ausgewiesen werden können."

 Erwachen und handeln

Jetzt kann man natürlich in Richtung London schimpfen, statt zur Bank ums Eck, aber das nützt auch nichts. Das Erwachen sei der Schlüssel zur Veränderung. Franz Hörmann sieht dabei drei wesentliche Eckpfeiler:

 1. Die Selbsterkenntnis, die am meisten schmerzt: Man muss seine eigenen Glaubenssysteme und Gewohnheiten hinterfragen. Wer seine eigenen Prägungen erkennt, ist auch in der Lage, anderen Menschen ihre Prägungen zu verzeihen.

2. Sich organisieren und informieren gemeinsam mit jenen, die auch unterwegs in eine neue Wirklichkeit sind.

3. Seinem Herzen folgen, um eigene Lebensziele umzusetzen, wo man insbesondere für die Veränderung auch Eigenverantwortung übernimmt, denn die ist ganz essenziell.

 Darauf zu warten, dass es einem die anderen richten, sollte keine Option sein. Denn jene, die was tun könnten, werden mit Gesetzen und mit Geld erschlagen. Das spiegelt sich laut Hörmann auch in den Wissenschaften wider. Es gibt freie und unfreie Wissenschaften. Erstere finden ohne finanzielle Förderung in der Freizeit von Hobbyforschern und im Kreise entsprechender Vereine statt. Letztere sind etwa Auftragsforschungen, die von Politik und Industrie bezahlt werden und die daher nicht ergebnisoffen forschen können, und die Schulwissenschaft, wo die Lehrpläne von Politikern freigegeben werden und daher politisch und nicht wissenschaftlich ausgerichtet sind. Wie groß der Betrug an der Wissensgesellschaft ist, zeigt der Nobelpreisträger für Physik, Robert B. Laughlin in seinem Taschenbuch "Das Verbrechen der Vernunft" auf.

 Information am wichtigsten

Hörmann ist fest davon überzeugt, dass die Ahnungslosen als Handlanger am besten geeignet sind, weil sie kein schlechtes Gewissen haben, denn auch das kommt von Wissen. Intransparenz ist eine Art Gewissenssperre. Darum setzt er auf Information. So wie die Bewegung der "Deutschen Mitte" (https://deutsche-mitte.de/) in Deutschland, deren finanzpolitischer Sprecher der Österreicher ist. Dazu hält er fest: "Das ist keine Partei im konventionellen Sinne und wir wollen auch keine Mehrheit, um das umzusetzen, was wir selbst für richtig halten. Uns geht es vielmehr um die zielgerichtete Verbreitung relevanter Information. Vor allem um die, dass wir aus dem Nullsummenspiel raus müssen. Das Hauptproblem liegt daher in der Buchhaltung. Wer dann die notwendigen Reformen umsetzt, ist sekundär, solange sie kompetent umgesetzt werden."

Das Nullsummenspiel ist so zu verstehen, dass der Gewinn oder der wirtschaftliche Erfolg eines Spielers dem Verlust oder Misserfolg der anderen Spieler in eben dieser Höhe gegenübersteht. Das Geheimnis für den Erfolg eines solchen Systems liegt daher in der Desinformation. Hörmann bringt als Beispiel für ein Nullsummenspiel das Kartenspiel Poker ("the winner takes it all", d. h., der Sieger gewinnt alle Einsätze der anderen Spieler), bei dem auch das Pokerface (keine Information weiterzugeben) bzw. der Bluff (verfälschte Information weiterzugeben, also bewusst zu täuschen) die wichtigste Gewinnstrategie darstellt. So wird es aber nie transparente Kooperation geben, zumal die Verluste immer auf Kosten der Massen gehen und die Gewinne an eine überschaubare Gruppe. Diese Intransparenz des Nullsummenspiels per Buchhaltung ist auch einer der wichtigsten Gründe, warum sich die Vermögensschere immer weiter auftut, ohne dass dagegen Schritte unternommen werden.

Das Giralgeld, oder auch Buchgeld als Forderung auf Bargeld, ist für ihn der Schlüssel zum Ausweg aus dem Nullsummenspiel und zur Bankenrettung ohne Steuergeld. Das erklärt er so: "Da das Giralgeld für die Bank eine Verbindlichkeit darstellt, kann der Gesetzgeber ein Gesetz erlassen, in dem er gestattet, dieses Fremdkapital in Eigenkapital umzuwandeln (Fachbegriff "Debt/Equity Swap"). Da hat die Bank dann sofort riesiges Eigenkapital, das aber per Gesetz dem Staat gehören würde. In den operativen Kontenkreisen der Bank wandeln wir hingegen diese Girokonten in Treuhandkonten um und somit ist das Giralgeld aus der Bankbilanz entfernt, diese Beträge wirken sich daher nicht mehr in der Bankbilanz aus. Mit diesem Schritt führen wir also das Vollgeldsystem ein. Die Bankenrettung erfolgt dann ohne Steuergeld, der Staat ist an der Bank mitbeteiligt und das Vollgeldsystem ist auch gleich eingeführt." Liest sich alles ganz logisch und praktisch. Wenn bei denen, die das Sagen haben, auch noch das GeWISSEN aktiviert wird, könnte das die Lösung für das große Bankenproblem sein.

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