Die Schattenmacht der Denkfabriken

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Sie agieren weltumspannend. Und doch kennt sie keiner. Die Denkfabriken. Gemeinsam mit gekauften Journalisten manipulieren sie die Massen. Und ermöglichen Kriege, Masseneinwanderung, umstrittene Freihandelsabkommen und die Abschaffung des Nationalstaates. Eine Spurensuche im Nebel der Wahrheit. Text: Klaus Faißner

Er heißt Merkel-Plan: Die EU zahlt der Türkei sechs Milliarden Euro, erlaubt die visafreie Einreise türkischer Staatsbürger und nimmt mit der Erdogan-Regierung ? trotz bestehender Pressezensur, Menschenrechtsverletzungen und indirekter Unterstützung der Terrormiliz IS ? wieder EU-Beitrittsverhandlungen auf. Für jeden aus Griechenland zurückgeschickten Syrer darf die Türkei einen anderen aus einem Flüchtlingslager in ein EU-Land schicken. Die Kosten für den Flug tragen die Steuerzahler aus Deutschland oder Österreich. Im Gegenzug soll die Türkei die Grenzen sichern. So verhandelte es die EU im März mit der Türkei aus. Doch der Plan dafür stammte gar nicht von Angela Merkel, nach der er benannt ist. Stattdessen steckt eine allgemein unbekannte Organisation dahinter: die Denkfabrik namens Europäische Stabilitätsinitiative ESI. Chef ist der gebürtige Wiener Gerald Knaus. Er studierte an der Eliteuniversität Oxford, hat enge Bande zur linken Stadtzeitung Falter und ist Gründungsmitglied einer Denkfabrik des US-Turbo-spekulanten George Soros, dem European Council on Foreign Relations. Knaus? eigene Denkfabrik ESI ist nach seinen Angaben eng mit ranghohen Personen der NATO, Weltbank oder aus Kabinetten der EU-Kommissare vernetzt. Mitte April ließ Knaus in der deutschen Tageszeitung Die Welt auch Näheres zur Umsetzung des Plans wissen: ?Die türkische Seite erwartet, dass die Europäer in wenigen Wochen damit beginnen, jährlich etwa 250.000 Syrer aus der Türkei aufzunehmen.? Jährlich. Davon hatten die Medien zuvor nichts berichtet. Wenn von Europäern die Rede ist, sind allerdings nur wenige Länder gemeint: vor allem Deutschland, Österreich, Schweden und die Niederlande.

Forderung: syrische Städte in (Mittel-)Europa

Doch die 250.000 Syrer dürften nur die Spitze des Eisbergs sein. Die ebenfalls von den Hauptstrommedien sehr geschätzte Freiburger Denkfabrik prognostiziert, dass alleine heuer zwischen 800.000 und 5,4 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland kommen würden. Zum Vergleich: Das ist mindestens das Fünffache des Vorjahreswertes. Eine weitere deutsche Denkfabrik, das European Democracy Lab (Europäisches Demokratie-Labor), forderte die zuständigen Politiker auf, Flüchtlingen Bauland mitsamt Infrastruktur und Wohncontainern zur Verfügung zu stellen. Die fremden Siedlermassen könnten ganz wie zu Hause weiterleben, unter sich bleiben und hätten dieses Land ?frei zur Gestaltung?. Zerstörte syrische Städte entstünden zum Beispiel als Neu-Aleppo und Nigerianer könnten etwa ihre Stadt Ondo hier nochmals errichten. Und weiter: ?Europa ist groß (und demnächst leer) genug, um ein Dutzend Städte und mehr für Neuankömmlinge aufzubauen.? Auf Integration solle verzichtet werden. Verfasst wurde der Text von der Denkfabrik-Gründerin Ulrike Guérot und dem österreichischen Schriftsteller Robert Menasse, beide EU-Fanatiker. Der Chefredakteur des deutschen alternativen Magazins Compact, Jürgen Elsässer, war einer der wenigen Prominenten, der empört reagierte: ?Wie irre ist das? Wer Aleppo nach Europa holt, der holt Bürgerkrieg, Blut und Untergang nach Europa.? Das sei nichts anderes als ?eine Untergangsvision?. Oftmals seien Mitglieder von Denkfabriken ?zu klarem oder intelligentem Denken nicht fähig?, meint generell der kritische Journalist und Politkexperte William Engdahl, der 2015 ein Buch zu dem Thema herausbrachte.

Bei den genannten Beispielen handelte es sich um kleine Denkfabriken, die in der Vergangenheit wie zuhauf entstanden. Auch wenn sie schöne Bezeichnungen wie ?Stabilität? oder ?Demokratie? in ihren Namen tragen, bezwecken sie ? wie oben dargestellt ? oft genau das Gegenteil. Begierig veröffentlichen Hauptstrommedien meistens unkritisch ihre Botschaften. So geschah das auch mehrmals bei der jungen österreichischen Denkfabrik Agenda Austria, die vom ehemaligen Journalisten Franz Schellhorn (Die Presse) gegründet wurde. Sie ist unter anderem eine Fürsprecherin des umstrittenen EU-USA-Freihandelsabkommens TTIP.

Große Denkfabriken: im Sinne mächtiger Familien

Doch es gibt noch ganz andere Kaliber. Sie heißen Trilaterale Kommission, Bilderberger, Chatham House oder Council on Foreign Relations. Auch sie sind den meisten Menschen unbekannt. Aber so mächtig, dass sie über gezielte Manipulation die Welt lenken ? im Sinne weniger Familien wie den Rockefellers oder Rothschilds und damit auch im Sinne einer aggressiven US-Politik, wie der Buchautor und Geopolitik-Experte Engdahl enthüllt. Er zeigt auf, dass die großen Denkfabriken wie ein Spinnennetz miteinander verwoben sind. Mit Berichten und Studien manipulierten sie Politiker ? egal ob im US-Kongress, in der EU oder im österreichischen Parlament.

Ziel sei es, jeden Aspekt des täglichen Lebens zu beherrschen: Bildung, Ernährung, Gesundheit, Bevölkerung, Zuwanderung, Kommunikation, Transport, Handel, Landwirtschaft oder Umwelt. Dafür nutzten sie nicht gewählte, internationale Organisationen wie die EU, den Internationalen Währungsfonds, die Welthandels-organisation WTO oder die Weltbank. Durchgesetzt würden die Interessen militärisch über die NATO oder wirtschaftlich über neue Freihandelsabkommen wie TTIP oder CETA (zwischen EU und Kanada).

?Die wichtigsten Washingtoner Denkfabriken arbeiten in dieselbe Richtung und teilen sich Führung und Sponsoren. Das macht sie viel einflussreicher, als es eine Denkfabrik je sein kann?, sagt Engdahl.

Die Mütter aller Denkfabriken sind das britische Chatham House und ihr US-amerikanischer Ableger New York Council on Foreign Relations (CFR). Sie wurden 1919 von der britischen Geheimgesellschaft Round Table (dt.: runder Tisch) bei den Friedensverhandlungen von Versailles in Paris gegründet. Ziel sei es gewesen, die britisch-US-amerikanische Vorherrschaft aufrechtzuerhalten ? und Deutschland klein zu halten. Aus dem New York Council on Foreign Relations seien unter Federführung der Rockefeller-Familie mächtige, oft streng geheim agierende weitere Denkfabriken wie die Bilderberger, die Trilaterale Kommission oder das Aspen Institute hervorgegangen. Allen sei ein Ziel gemeinsam: die Zerschlagung des Nationalstaates und die Plünderung der Staaten durch eine schrankenlose Privatisierung des öffentlichen Eigentums.

Bilderberger und Rockefeller: ?Sind Internationalisten und Verschwörer?

Die wahrscheinlich bekannteste Denkfabrik ist die der Bilderberger. Benannt sind sie nach dem Hotel Bilderberg in Oosterbeek in den Niederlanden. Dort trafen sich das erste Mal unter strenger Geheimhaltung ausgewählte Politiker, Banker, Industrielle, Wissenschaftler und Journalisten. Jedes Treffen läuft hinter verschlossenen Türen ab. Verschwiegenheit steht an oberster Stelle. Voriges Jahr, als das Bilderberg-Treffen in Telfs in Tirol stattfand, wurden die rund 130 Teilnehmer von mehr als 2.000 Polizisten beschützt. David Rockefeller feierte hier seinen 100. Geburtstag. In seiner 2006 erschienenen Autobiogragrafie hatte er geschrieben: ?Manche glauben gar, wir seien Teil einer geheimen Kabale, die entgegen den besten Interessen der USA arbeitet, charakterisieren mich und meine Familie als Internationalisten und Verschwörer, die gemeinsam mit anderen weltweit eine integriertere globale politische und wirtschaftliche Struktur schaffen ? eine Welt, wenn Sie so wollen. Wenn das die Anklage ist, dann bin ich schuldig, und ich bin stolz darauf.?

Österreicher bei den Bilderbergern

Bei diesen ?Internationalisten und Verschwörern? waren alle österreichischen Bundeskanzler und Bundespräsidenten der vergangenen Jahrzehnte zu Gast. Sie drückten den EU-Beitritt durch (1994/95), wollten den NATO-Beitritt Österreichs (1998), höhlten ständig die Neutralität aus, freuten sich über die Abschaffung des Schillings (1999/2002), unterschrieben den EU-Diktatur-Vertrag von Lissabon (2008), hoben für Milliardenzahlungen zur Euro- und Bankenrettung (ab 2010) die Hand, setzten sich ? allerdings erfolglos ? für die Abschaffung der Wehrpflicht in Österreich (2013) ein oder ermöglichten durch die Grenz-öffnung die Flüchtlingswelle (2015). Werner Faymann nahm offiziell drei Mal teil, Heinz Fischer und Alfred Gusenbauer je zwei Mal und Franz Vranitzky gleich 15 Mal. Wolfgang Schüssel, Thomas Klestil und Bruno Kreisky waren je einmal dabei. Der Herausgeber der Tageszeitung Der Standard, Oskar Bronner, war seit 2005 bis zuletzt jedes Jahr eingeladen ? und berichtete als angeblich kritischer Medienmann kein einziges Mal über den Inhalt der Gespräche. Als er im Vorjahr mit anderen Bilderbergern während des Jahrestreffens in einem Reisebus sitzend fotografiert wurde, hielt er sich verschämt die Hand vors Gesicht. Eine Weltverschwörung sei das Treffen trotzdem nicht, erklärte er.

Genau vom Gegenteil berichtet William Engdahl: Er war zu einem Dokument gekommen, das zeigt, welche Macht da am Werk ist. In dem Papier ist die Rede davon, dass die Bilderberger unter anderem den Ölschock im Jahr 1973 organisiert hätten. Der Ölpreis vervierfachte sich und rettete wie beabsichtigt den schwächelnden Dollar. Auch erklärte der Präsident der Bilderberg-Konferenz und Ex-EU-Kommissar Etienne Davignon, dass die Bilderberger an der Einführung des Euro maßgeblich beteiligt gewesen seien.

Aber wahrscheinlich sind das alles nur Spinnereien.

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