Kein Österreicher hat so viele Freunde auf Facebook, kein Promi polarisiert so wie er: Felix Baumgartner. Im Exklusiv-Interview mit alles roger? spricht der Stratosphären-Springer Klartext über Politiker, Demokratie, die Nazi-Keule, Shitstorms, private Pläne, einen EU-Austritt Österreichs und darüber, warum er kein Steuerflüchtling ist.
Interview: Martina Bauer
DUMMHEIT & ARROGANZ haben einen Namen - ANGELA MERKEL & JEAN-CLAUDE JUNCKER. So ist es auf Ihrer Facebook-Seite zu lesen. Sie schreiben, was Sie denken, und müssen dafür auch immer wieder Prügel einstecken und sich beschimpfen lassen. Gleitet so etwas an Felix Baumgartner ab oder trifft Sie das?
Nein, das stört mich nicht. Wir leben in einer Demokratie und da darf jeder seine freie Meinung äußern. Die Meinungsvielfalt ist ja auch die Grundlage der Demokratie und durch unterschiedliche Meinungen lernen wir auch voneinander. Trotzdem wünsche ich mir eine aufgeklärtere Leserschaft in den sozialen Netzwerken. Mehr Wissen und die Fähigkeit, sinnerfassend zu lesen, täte vielen gut.
Haben Sie sich schon an diverse Shitstorms und Kritik Ihrer Gegner gewöhnt?
Daran gibt es nichts zu gewöhnen. Wir leben in einer "Beleidigten-Kultur". Heute wird das Opfer in den Mittelpunkt der Gesellschaft gestellt. Deshalb gibt es Antidiskriminierungsgesetze, Gleichstellungsmaßnahmen und den Genderwahn. Das geht mittlerweile so weit, dass die stets bemühte Grünen-Chefin Eva Glawischnig "liebe Elterinnen und Eltern" sagt.
Was genau ist eine "Beleidigten-Kultur" und inwiefern steht sie im Zusammenhang mit dem Genderwahn?
Eine Gesellschaft/Kultur, in der sich viele immer sofort beleidigt, angegriffen und diskriminiert fühlen. Da-rum bewegt sich die Politik nur mehr langsam voran, da jeder ständig bemüht ist, niemandem auf die Füße zu steigen. Daraus ist auch der Genderwahn entstanden. Frauenrechte in Ehren, aber das hat mittlerweile Ausmaße angenommen, die selbst viele Frauen nicht mehr gutheißen.
Wann genau haben Sie begonnen, sich für Politik zu interessieren und beschlossen, sie auch zu thematisieren?
Politik hat mich immer schon interessiert, und da ich in den letzten 20 Jahren viel gereist bin, habe ich die ganze Welt gesehen. Gutes und Schlechtes. Außerdem habe ich durch meinen Stratosphären-Sprung ein ausgezeichnetes Netzwerk aufgebaut, darunter viele hochrangige Entscheider. Da bekommst du viele Informationen aus erster Hand und das erweitert den Horizont. Österreich und seine Menschen sind zu wichtig, um sie den Politkern alleine zu überlassen. Das Volk ist der Souverän und muss die Möglichkeit haben mitzureden und mitzugestalten. Die Politik hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Sie ist korrupter, skrupelloser und gleichgültiger geworden. Ehre und Anstand sind bei vielen Politikern nicht mehr vorhanden. Viele Politiker sind nur an der nächsten Wahl und dem Erhalt der eigenen Macht interessiert.
Auch ein Spruch von Ihrer Facebook-Seite: Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd. Warum glauben Sie, ist das so?
Wer in der heutigen Zeit die Wahrheit sagt, wird sehr oft dafür gesteinigt. Politiker, Presse oder die sozialen Netzwerke beteiligen sich gerne daran. Also bleibt nur die Flucht. Darum das schnelle Pferd oder du stellst dich. Ich habe mich für das Zweite entschieden. Ich bin gekommen, um zu bleiben. Egal ob's wem passt oder auch nicht.
Sie haben die Eier, trotz Beschimpfungsorgien zu Ihrer Meinung zu stehen. Immer weniger Menschen trauen sich zu sagen, was sie denken. Wie sehr ist die Meinungsfreiheit im Land verloren gegangen?
Die Meinungsfreiheit ist in Österreich keineswegs verloren gegangen, sie ist immer noch da! Die Frage muss anders gestellt werden. Wie wird die freie Meinung heutzutage sanktioniert? Wer sich nicht dem Mainstream beugt, der wird kaltgestellt. Der Nazivergleich eignet sich dabei am besten, da man keine wirklichen Argumente braucht. Diese Methode ist nicht nur pervers, sondern auch völlig sinnentleert. Die grausame Tötungsmaschine Adolf Hitlers hat sechs Millionen Juden getötet und halb Europa in Schutt und Asche hinterlassen. Wen soll und darf man mit so einem Ungeheuer vergleichen? Wer die Nazikeule schwingt, bekommt schnell Aufmerksamkeit, darum wird sie von den Gegnern gern benutzt.
Was läuft Ihrer Meinung nach derzeit in Österreich alles falsch?
Vieles, doch das alles aufzuzählen, sprengt den Rahmen dieses Interviews. Es wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern, egal welche Partei gerade an der Macht ist, außer das Volk zwingt die Regierung zu einer Volksabstimmung. Das Ziel muss die direkte Demokratie nach dem Vorbild der Schweiz sein. Alles andere ist reine Zeitverschwendung!
Was sagen Sie zur geplanten Bargeldabschaffung?
Das muss mit allen Mitteln verhindert werden. Wie immer verkauft uns der Staat nur die Vorteile. Das wahre Ziel ist aber ein ganz anderes. Viele Menschen haben immer noch sehr große Mengen an Bargeld zu Hause, weil sie zu Recht den Banken nicht mehr vertrauen. Sobald das Bargeld abgeschafft wird, müssen sie zur Bank und dann wird es registriert. Bargeld ist die letzte Freiheit, die wir noch haben. Wenn der Staat erst einmal auf bargeldlosen Zahlungsverkehr umgestellt hat, beginnt ein neues Zeitalter der "Volksmanipulation". Jedem, der sich nicht korrekt verhält, und sei es nur ein Strafzettel, den man übersehen oder wenn man noch offene Schulden beim Finanzamt hat, wird per Knopfdruck sofort die Kreditkarte gesperrt. Du kannst dann nicht einmal mehr zur Tankstelle fahren, wenn dir das Benzin ausgeht. Die Schweiz hält dagegen und nimmt den 1.000-Schweizer-Franken-Schein nicht, wie von der EU gefordert, aus dem Verkehr.
Für Sie ist die EU "kläglich gescheitert". Befürworten Sie eine Volksabstimmung wie in Großbritannien?
Ich als absoluter Befürworter der direkten Demokratie, bin für eine Volksabstimmung, egal wie sie ausgeht!
Sollten wir aus der EU austreten: Könnte es Österreich dann ähnlich "schlecht" ergehen wie der Schweiz?
Ob Austritt oder nicht, das muss und soll das Volk entscheiden. Fakt ist, dass die Grundidee der EU eine gute war, nur haben die Verantwortlichen vieles falsch gemacht. Brüssel ist ein aufgeblasener Haufen von Bürokraten, die sich zu viel in die nationalen Gesetze der einzelnen Länder einmischen. Der Bürgerwille hat in diesem politischen System keine Bedeutung. Um die Schweiz mache ich mir keine Sorgen. Die Schweiz ist ein intelligentes Land und versteht es hervorragend, sich anzupassen. Österreichs Politiker vermitteln nur gerne ein anderes Bild. Durch eine schlanke und effiziente Bürokratie schafft es die Schweiz, mit nur acht Prozent Mehrwertsteuer auszukommen. Davon kann Österreich nur träumen.
Was regt Sie mehr auf, die Flüchtlinge oder jene, die deren Flucht verursacht haben?
Menschen, die aufgrund von Krieg, Verfolgung und mangelnden Zukunftsperspektiven ihr Land verlassen, haben mein Mitgefühl. Wer von uns würde nicht dasselbe tun? Darum trifft diese Menschen keine Schuld. Anders sieht es da schon in der Politik aus. Das Flüchtlingsproblem war seit Jahren bekannt, doch alle EU-Staaten haben weggesehen. Als sich die Massen dann auf den Weg gemacht haben, war es bereits zu spät und die einzelnen Staaten maßlos überfordert. Doch die Krise ist noch lange nicht vorbei. Erdogan läuft Amok und wird die Grenzen wieder öffnen, außerdem befindet sich halb Afrika in Abmarschbereitschaft, weil es für diese Menschen aufgrund von Hitze und Dürre keine Zukunft mehr gibt. Der dritte Weltkrieg hat bereits begonnen, doch er sieht anders aus, als wir ihn uns vorgestellt haben.
Viele würden Sie gerne in der Politik sehen. Ist das ein Thema für Sie?
Ja, das höre ich immer wieder, und viele Leute schreiben mir das auch in zahlreichen Briefen und E-Mails. Unter den derzeitigen Bedingungen halte ich es für reine Zeitverschwendung. Sollte Österreich irgendwann die direkte Demokratie einführen, wäre es eine Überlegung wert.
Die österreichische Wirtschaft ächzt, und anstatt Unternehmer zu entlasten, bürdet ihnen die Politik immer schwerere Rucksäcke auf, bepackt mit noch strengeren Auflagen und höheren Abgaben. Blutet Ihr Herz, wenn Sie aus der Schweiz aus beobachten, wie Ihre Heimat wirtschaftlich immer mehr absandelt?
Die derzeitigen Rahmenbedingungen, unter denen Klein- und Mittelbetriebe geknechtet werden, haben perverse Ausmaße angenommen. Arbeit wird zu hoch besteuert und viele Unternehmer haben die Motivation zu Recht verloren. Keiner spricht es aus, doch manche Unternehmer sind sogar gezwungen, Schwarzgeld zu machen, um zu überleben. Was ist das für eine Regierung, die solche Arbeitsbedingungen schafft?
Was würden Sie tun, wären Sie noch in Österreich und ein Arbeiter oder ein kleiner Unternehmer, der ums Überleben kämpfen muss? Wie würden Sie sich wehren?
Sich wehren hilft da nicht viel. Ich habe selber erlebt, wie hilflos man ist, wenn es der Staat oder die Finanz erst einmal auf einen abgesehen hat. Ich war von 1997 bis 2010 im österreichischen Sportlererlass. Das ist eine steuerliche Begünstigung für Sportler, die in Österreich leben und bei der man pauschal nur 17 Prozent Steuern bezahlt. Zahlreiche heimische Skifahrer, Biathleten und Skispringer profitieren davon. Die einen finden das gut, andere wiederum meinen, das wäre Steuerflucht im eigenen Land. Ich finde es richtig, da Sportler Aushängeschilder für ihr Land sind und nur begrenzt Zeit haben, Geld zu verdienen. Als ich dann 2010 meine erste Steuerprüfung hatte, meinte der zuständige Beamte: "Das Herunterspringen von Brücken ist keine Sportart", und ich wurde rückwirkend für die letzten Jahre aus dem Sportlererlass rausgeworfen. Innerhalb von drei Wochen wurden mein Haus sichergestellt, meine Bankkonten gesperrt und meinem Sponsor verboten, Geld an mich zu bezahlen. Das war der wahre Grund, warum ich in die Schweiz gegangen bin. Zuvor habe ich noch alle offenen Steuern in Österreich bezahlt! Heute nennen mich manche Idioten "Steuerflüchtling". Ich bin nicht vor den Steuern geflüchtet, ich bin vor einem System geflüchtet. Einem System, das zulässt, dass ein einziger Beamter über deine Zukunft entscheidet. Nicht, weil er besser ist als du, sondern weil ihm genau dieses System Macht verleiht und du ihm ohnmächtig gegenüberstehst. Jeder von uns hat das schon mal erlebt. Eigentlich müsste ich ihm dankbar sein, denn ich habe mit der Schweiz ein Land kennengelernt, wo man auf Rechtssicherheit vertrauen kann und ein Beamter sich als Dienstleister sieht und nicht als dein Henker.
Ich erinnere mich an ein Interview, das wir 2007 von Hongkong aus geführt haben, direkt nach Ihrem illegalen Basejump vom Taipei Tower. Damals hat Ihre Stimme noch richtig vibriert. Das Adrenalin war förmlich zu spüren. Was bereitet Ihnen heute, zehn Jahre später, noch so einen Kick?
Große Vorträge zum Beispiel. Ich habe vor zwei Jahren einen Vortrag in New York im Waldorf Astoria gehalten, vor 5.000 Gästen. Bill Clinton war das Jahr davor der Gastredner und da liegt die Latte naturgemäß hoch.
Damals (mit 38) haben Sie mir gesagt, dass Sie mit 40 eine Familie gründen möchten. Sie meinten auch, dass das Ihr schwierigstes Projekt werden könnte. Wie sieht es aus mit der Familienplanung?
Hahaha, das wissen Sie noch? Ich bin immer noch keinen Schritt weiter. Ich habe zwar eine Freundin, die ich über alles liebe, aber Nachwuchs ist derzeit noch nicht in Sicht.
Auf Facebook posten Sie von Ihrer Freundin gerne verführerische Bilder. Lieben Sie die Provokation oder sehen Sie das nicht als solche?
Meine Freundin ist in Rumänien ein gefeierter Star und in der Jury bei einer Talentshow. Wir lassen unsere Fans natürlich gerne an unserem Leben teilhaben, und da darf schon mal ein verführerisches Bild dabei sein.
Wenn Sie derzeit nicht gerade Vorträge halten, pilotieren Sie mit dem Helikopter Skitouristen in die Schweizer Alpen. Was macht Ihnen mehr Spaß?
Heute Heli fliegen in den Schweizer Alpen und morgen bei einem Vortrag in Monaco. Es ist der Mix, der mein Leben spannend macht. Die Kombination aus Pilotenhelm und Smoking.
Sie scheinen angekommen zu sein. Gibt es noch unerfüllte Träume?
Ja, ich bin angekommen. Ich habe hart dafür gearbeitet und mit einem Fallschirm am Rücken die Welt erobert. Mein Ziel war es, der Welt etwas zu hinterlassen, weit über meinen Tod hinaus. Der erste Mensch zu sein, der im freien Fall die Schallmauer durchbricht. Das war mein größter Traum und er ist in Erfüllung gegangen. Mehr geht nicht.
Haben Sie einen Tipp für unsere Leser, wie man an Träumen festhält und sie auch umsetzen kann?
Der Mensch träumt gerne, aber irgendwann muss man auch etwas dafür tun. Man braucht Mut, Disziplin und die richtigen Menschen im Umfeld, um diese Träume umzusetzen. Der Geist muss den Körper dominieren. Tut er das, dann ist alles möglich!
Was geben Sie Österreich mit auf den Weg?
Wenn es schwer wird, musst du jeden Tag aufstehen und einen Fuß vor den anderen setzen, bis es wieder leichter wird!