Nach der Glühbirne wollen EU und österreichische Regierung den alten mechanischen Stromzähler abschaffen und ihn durch sogenannte intelligente Messgeräte (Smart Meter) ersetzen. In den nächsten Monaten soll es österreichweit losgehen. Verweigerern, die um ihre Daten oder die Gesundheit fürchten, wird mit dem Abdrehen des Stroms gedroht. Doch jeder hat das gesetzliche Recht, nein zu sagen.
Text: Klaus Faißner
Gut versteckt und ohne viel Aufsehen drehen sich seit zig Jahrzehnten die Scheiben der so genannten Ferraris-Zähler, um den Stromverbrauch zu messen. Doch damit soll bald Schluss sein. Dem "Smart Meter" gehöre die Zukunft, heißt es von Seiten der Mächtigen, die den Haushalten viele Vorteile versprechen: Er helfe beim Stromsparen, ermögliche monatliche, genaue Abrechnungen, könne bei Wohnungswechsel schneller aus- oder eingeschaltet werden und er unterstütze die Automatisation von Gebäuden. Außerdem mache er die Stromnetze fit für die Energiewende, also die massenhafte Einspeisung von Sonnen- oder Windstrom - was zum Beispiel Peter Birk-ner, Vorstand beim Frankfurter Energieversorger Mainova, bestritt.
Bis Ende 2016 wurden rund 590.000 Smart Meter in Österreich installiert, was einem Anteil von etwa zehn Prozent aller Strombezieher entspricht. In den nächsten Monaten, spätestens ab Anfang 2018, wollen die Netzbetreiber in ganz Österreich so richtig loslegen. Die EU will mindestens 80 Prozent der Verbraucher bis 2020 mit "intelligenten Messsystemen" ausstatten. Dem österreichischen Wirtschaftsministerium ging dies nicht weit genug: Laut Verordnung müssen 95 Prozent der Strombezieher zwangsbeglückt werden - und das bereits bis Ende 2019.
Wunschkonzert der Industrie
Schon bei der EU-Richtlinie 2009 gab die Industrie den Ton an. Wie Medien berichteten, sei dies bei den drei nachfolgenden österreichischen Verordnungen durch Kapsch oder Siemens mindestens ebenso der Fall gewesen. Als politisch Verantwortliche nennt ein Branchenkenner gegenüber alles roger? Walter Boltz von der Regulierungsbehörde E-Control und Christian Schönbauer vom Wirtschaftsministerium. "Beide waren Smart-Meter-Fans. Hier haben zwei Jahre lang Vertreter der europäischen Zählerindustrie die Klinken geputzt und viel versprochen. Zwei erlassene Verordnungen waren ein Wunschkonzert der Industrie." Vertreter des Energiesektors schätzen die Gesamtkosten der österreichweiten Umrüstung seit Jahren auf knapp eine Milliarde bis zwei Milliarden Euro. Das wären etwa 200 bis 400 Euro pro Haushalt. Hinzu kommt ein sicheres Folgegeschäft für die Zählerhersteller: Smart Meter sind im Grunde nichts anderes als Computer mit Fernabschaltung und einer recht geringen Lebensdauer. Herkömmliche Ferraris-Zähler halten hingegen meist mehrere Jahrzehnte. Viele Studien ergaben, dass insbesondere kleine Haushalte kaum Energiespareffekte erzielen werden.
Widerstand gegen Smart Meter regt sich in vielen Ländern. In den USA gibt es eine große Kritik wegen zum Teil drastisch höherer Stromrechnungen. Im Internet sind Videos zu sehen, wie Smart-Meter-Verweigerern die Tür eingetreten wird oder Monteure unter Polizeischutz Zähler installieren. In Kanada fingen mehrere Smart Meter Feuer, woraufhin 105.000 "intelligente" Zähler ausgetauscht werden mussten.
Warnung vor Gesundheitsproblemen
Auch in Österreich hatten anfänglich Ärztekammer, Mietervereinigung und Arbeiterkammer die Smart-Meter-Einführung heftig kritisiert. So warnte die Ärztekammer 2012 in einer Aussendung vor möglichen gesundheitlichen Folgen: "Die zur Verfügung stehenden Übertragungsmöglichkeiten wie Funk oder die Übertragung über das Stromnetz selbst (Powerline Communication, kurz PLC) führen zu gesundheitsschädlichem Elektrosmog. Bei Powerline Communication kommt dazu, dass die vorhandenen elektrischen Leitungen und die daran angeschlossenen Geräte nun vermehrt Elek-trosmog (elektrische Felder im Kilohertzbereich) abgeben", hieß es. Mögliche Folgen seien Erschöpfungszustände, Lernprobleme, Depressionen oder ein möglicherweise erhöhtes Krebsrisiko. Die anderen Organisationen thematisierten auch den Datenschutz - schließlich werden alle 15 Minuten die Stromverbrauchsdaten gespeichert. Daraus ließe sich zum Beispiel herauslesen, wie viele Menschen in der Wohnung sind. Auch besteht das Risiko, dass Kriminelle ins Stromnetz eindringen und Haushalte ausspionieren.
In letzter Zeit sind Arbeiterkammer & Co. ruhig geworden. "Verdächtig ruhig", meinen Menschen, die sich beim Kampf gegen "schlaue" Stromzähler im Stich gelassen fühlen. Jedenfalls ist laut § 83 Absatz 1 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) eine Ablehnung erlaubt: Demnach "hat der Netzbetreiber den Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu berücksichtigen". Das Recht gilt allerdings nur für fünf Prozent. Was passiert, wenn mehr Nein sagen, weiß niemand.
Überrumpelungstaktik
Einen Ablehnungsbrief hatte schon vor längerem Michael Loindl aus Oberwang an die Netz Oberösterreich GmbH geschickt. Trotzdem teilte ihm der Netzbetreiber im September 2016 mit, bei ihm einen Smart Meter einbauen zu wollen. Erneut schrieb Loindl zurück, dass er dies verweigere. "Im November 2016, als ich in der Arbeit war, läutete es an der Tür", erzählt er. "Mein Sohn machte auf und ein Monteur der Netz Oberösterreich erklärte ihm, dass er den Zähler abliest und ihn austauscht." Daraufhin habe der Monteur gleich begonnen, einen Smart Meter mit reduzierten Funktionen zu installieren. "Meine Frau kam hinzu und wollte ihn abhalten, doch der Mann sagte, dass das gesetzlich vorgeschrieben wäre - vor allem wenn man eine Photovoltaik-Anlage besitzt. Mit einer Überrumpelungstaktik bauten sie den Smart Meter ein." Dementsprechend "überrascht" sei er gewesen, als er nach Hause kam. Nun habe er alle Hebel in Bewegung gesetzt, wieder einen alten, mechanischen Zähler zu erhalten. Und siehe da: Bereits vier Tage später sei ein Techniker des Netzbetreibers gekommen und habe den Smart Meter durch einen gewünschten Zähler ersetzt.
Weniger Erfolg hatte das Ehepaar Gudrun und Herbert Hofer aus Weyer. Anfang 2015 kündigte ebenfalls Netz Oberösterreich schriftlich an, den Hauptstrom- und den Nachtstromzähler abzumontieren und durch Smart Meter zu ersetzen. Die Familie erhob aus Datenschutz- und Gesundheitsgründen Einspruch. Der Netzbetreiber schrieb zurück, dass er trotzdem einen elektronischen Zähler installieren werde - allerdings ohne den Stromverbrauch (das Lastprofil) alle 15 Minuten zu speichern. Die Hofers lehnten ab. Monate später, im Jänner 2016, zwickte ihnen der Netzbetreiber schließlich den Nachtstrom ab. Mitten im Winter hieß es so lange kalt duschen, bis ein Boiler angeschafft war, der mit teurerem Tagstrom betrieben wird. Bis zum Ende der Eichfrist könne sie den verbliebenen Zähler behalten, sei ihr gesagt worden. "Doch was passiert dann?", lautet seither die bange Frage. Denn Gudrun Hofer stellt klar: "Ich werde in keinem Fall einen Smart Meter akzeptieren."
Ist Auto ohne Autoradio kein Auto?
Die Antwort gibt Wolfgang Denk, Pressesprecher des Landesstromversorgers Energie AG, zu der auch Netz Oberösterreich gehört: "Das ElWOG schreibt vor, dass der Kunde keine Wahl hat. Dann hat er keinen Stromanschluss." Drohen Smart-Meter-Gegnern tatsächlich finstere Häuser? Für die Familie Kureczka aus Großwarasdorf, die im Burgenland gerade ähnliche Kämpfe hat, ist dies ein juristischer Skandal: Nur durch geringfügige Änderung der Software verwandle sich der Smart Meter noch lange nicht in einen "unintelligenten digitalen Zähler", wie Netzbetreiber behaupten. Es stelle sich die Frage: "Ist ein Pkw, dem das Autoradio entfernt wurde, kein Pkw mehr, nur weil im die Fähigkeit fehlt, zur Sicherheit im Straßenverkehr den Verkehrsfunk zu empfangen?" Was hier grotesk klinge, werde beim Smart Meter angewendet. Netzbetreiber arbeiteten mit einem "Trick, um das Gesetz auszuhebeln." Das Gesetz sei nämlich eindeutig: Der Energieversorger müsse den Kundenwunsch respektieren, kein "intelligentes Messgerät" zu erhalten. "Ein "elektronischer Zähler" wird nicht erwähnt, weder als Produkt einer Modifizierung noch als Alternative." (siehe auch http://members.aon.at/smart.meter.nein ).
Rebellischer Netzbetreiber in Kärnten
Doch es gibt auch einen Netzbetreiber in Österreich, der gegen Smart Meter auftritt: Den Ökostromanbieter Alpen Adria Energie (AAE), der im kärntnerischen Kötschach auch ein kleines Stromnetz betreibt. "Das Thema Smart Meter wird medial mit tollen Vorteilen aufbereitet, die ich aber weit und breit nicht sehe", erklärt Geschäftsführer Wilfried Klauss. "Ich bin gesetzlich verpflichtet, auf Smart Meter umzustellen, will dies aber nicht tun. Ich werde bis zum letztmöglichen Zeitpunkt warten, um das zu machen und hoffe, dass es bis dahin eine Trendwende gibt - damit ich das auf die lange Bank schieben kann oder am besten gar nicht machen muss." Die Reaktionen der Kunden seien ausschließlich positiv. "Wir haben unsere Einstellung immer kommuniziert und kein einziger Kunde verlangte bisher aktiv einen Smart Meter." Die Vorteile für Netzbetreiber wie die Fernabschaltung oder die entfallende Ablesung der Zähler würden durch Nachteile aufgewogen: "Die Umstellung kostet einiges an Geld, die digitalen Zähler sind anfälliger auf Manipulation und Stromschwankungen können Zähler ausfallen lassen."
Der "Netzrebell" widerspricht den Aussagen der E-Control, die österreichweit von Smart-Meter-Verweigerungsraten im Promillebereich ausgeht. Als Beispiel dient die Energie Energie AG in Oberösterreich mit lediglich 0,7 Prozent Ablehnern bei 325.000 verbauten "schlauen" Zählern. Allerdings versuche ein Monteur des Unternehmens - mit einem Smart Meter in der Hand -, Verweigerer im persönlichen Gespräch umzustimmen. Falls dies nicht gelinge, bekomme der Haushalt einen Smart Meter mit reduzierten Funktionen. Und nur auf ausdrücklichen Wunsch könne er den alten Ferraris-Zähler vorläufig behalten, so Energie-AG-Pressesprecher Denk.
Gibt noch genug "alte" Zähler
Die niederösterreichische EVN machte hingegen andere Erfahrungen: "Bei Feldversuchen hatten wir Verweigerungsraten von bis zu 50 Prozent. Das überraschte uns selbst, denn das gab es bei keinem anderen technischen Versuch", sagt Pressesprecher Stefan Zach. Die Gründe für die extrem hohe Ablehnung waren der Datenschutz, mangelndes Interesse am Versuch und die Ablehnung einer zusätzlichen elektromagnetischen Belastung durch die Stromnetzübertragung Powerline.
Der Netzbetreiber werde sich "sicher nicht" mit Kunden anlegen, die den Smart Meter ablehnen (Opt-out): "Wir haben mehr Freude mit Kunden, die bei einem Opt-out den elektrischen Zähler mit deaktivierten Funktionen nehmen. Aber sonst kann ein Kunde auch den Ferraris-Zähler behalten." Zusätzlich habe die EVN auch Zigtausende Ferraris-Zähler auf Lager. Es gibt also genug davon. Man müsste sie nur weiter einsetzen.